"Vater der deutschen Geige"
Jakob Stainer gehört wohl zu den bedeutendsten Künstlern, die Tirol hervorgebracht hat. Musiker und Museen in aller Welt schätzen Instrumente des in Absam nahe der Stadt Hall geborenen Meisters zu ihren besonderen Kostbarkeiten. Schon zu Lebzeiten Stainers waren seine Instrumente als Inbegriff barocker Klangschönheit begehrt. Zeitgenossen bezeichneten ihn als "berühmtesten Geigenbauer", dessen Ruhm bis nach Spanien gedrungen war, wo er für den Königshof mehrere Instrumente lieferte.
Stainer gilt heute als der größte außerhalb Italiens tätig gewesene Geigenbauer. Bis um 1800 zog man ihn dagegen selbst den hervorragendsten Vertretern der Cremoneser Schule wie Amati, Stradivari und Guarneri vor. Seine Kunst ist schulebildend geworden für den Geigenbau in Österreich, Deutschland und für die nordischen Staaten sowie Frankreich, England, und sogar italienische Städte, z.B. Venedig, Florenz und Neapel standen lange unter seinem Einfluss.
Das Tiroler Landesmuseum besitzt mit acht Instrumenten Stainers aus unterschiedlichen Schaffensperioden die weltweit reichhaltigste und qualitätvollste Sammlung des genialen Absamer Meisters. Das älteste Instrument ist ein Kontrabass, der um das Jahr 1645 entstanden ist. Stainer hatte bereits eine Werkstätte eingerichtet und nach seiner Verheiratung einen Hausstand gegründet sowie in seiner Heimatgemeinde Absam ein kleines Anwesen erworben, das er später gegen das "Stainerhaus" im nördlichen Ortsteil, heute Jakob-Stainer-Straße 7, eintauschte.
Stainer stand damals schon in so hohen Ehren, dass ihn der Tiroler Landesfürst mit der Lieferung von Instrumenten für 412 Gulden beauftragte - der Kaufpreis für etwa hundert Violinen. Um sich "unterschiedliche Materialien", wohl vor allem für die Zubereitung des Lacks, zu besorgen, begab er sich darauf nach Venedig. In der Lagunenstadt hatte Stainer nach der Ansicht der meisten Forscher auch seine Ausbildung erhalten. In Tirol selbst war zu dieser Zeit kein Geigenbauer von Rang tätig und Füssen, ein schon traditionell bedeutendes Zentrum des Lauten- und Geigenbaus, war zur Jugendzeit Stainers durch die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges schwer heimgesucht und konnte so auch nicht für eine kontinuierliche Ausbildung in Frage kommen. Die Hauptstadt des italienischen Geigenbaus war damals Cremona. Es ist vielfach angenommen worden, dass Stainer um 1630 als Lehrling dorthin gekommen sein sollte oder zwischen 1636 und 1643 während seiner Wanderjahre als Geselle in der Werkstätte Nicol Amatis gearbeitet hätte. Diese Vermutungen gründeten sich vor allem auf zwei Geigenzettel, die einen Hinweis auf einen Aufenthalt Stainers in Cremona enthielten, heute aber zusammen mit den Instrumenten verschollen sind und überhaupt allgemein als Fälschung angesehen werden. (Kontrabass Detail)
Der Kontrabass unserer Sammlung gehört zu den frühesten erhaltenen Instrumenten Stainers. Er wurde für das Königliche Damenstift zu Hall gebaut, das für seine vorzügliche Musikpflege berühmt war. Nach der Auflösung des Stiftes im Jahr 1783 wurde der Kontrabass für den Haller Pfarrchor vermutlich im Zuge der Versteigerung des Stiftinventars gekauft und kam schließlich 1894 auf Privatinitiative durch die großzügige Erwerbung der Brüder Hermann und Oswald Oellacher in die Sammlung des Ferdinandeums. Das prachtvolle Instrument, dessen Echtheit jedoch nicht unbestritten ist, wurde im Lauf seiner Geschichte oftmals repariert und so auch verändert. Es gehört zu den Glücksfällen, dass mit diesen Arbeiten die jeweils besten Tiroler Instrumentenmacher beauftragt wurden. Erste nicht näher bezeichnete Reparaturen hat bereits Ende des 17. Jahrhunderts der aus Rattenberg stammende Geigenbauer Christof Klingler (1657-1702) vorgenommen, der seine letzten Lebensjahre in Hall, dem Heimatort seiner Frau, zugebracht hatte. Er wird auch als einer der Schüler Jakob Stainers vermutet, den der Meister 1670 als "Lerner" aufgenommen haben soll.
1779 wurden wiederum Ausbesserungsarbeiten notwendig, die der Innsbrucker "Lauten-, Geigen- und Saitenmacher" Johann Georg Psenner (1747-nach 1798) in Angriff nahm. Inwieweit dabei auch die Substanz des Instruments betroffen wurde, lässt sich schwer ermitteln. Weitere Reparatur- und Reinigungsarbeiten hat der Innsbrucker Geigenbauer Franz Nosek 1959 bewerkstelligt und schließlich wurden zwischen 1973 und 1975 Zargenrisse vom Mittenwalder Geigenbauer Carl Sandner ausgebessert. Dieser Kontrabass teilt somit das Schicksal der meisten Instrumente unserer Sammlung. Da sie intentional nicht Sammelobjekte waren sondern Gebrauchsgegenstände, wurde sie zum einen in einem funktionstüchtigen Zustand gehalten, zum anderen den wechselnden Moden des musikalischen Zeitgeschmacks angepasst und so auch vielfach verändert.
Jakob Stainer, Zwei Armviolen |
Aus dem Jahren 1654 und 1671 stammen zwei Armviolen, die in ihrer Form Unikate geblieben sind und deren zwei einzige zugängliche Beispiele sich nunmehr in der Sammlung des Ferdinandeums befinden. Ein weiteres diesem Topos eng verwandtes Instrument befindet sich in Londoner Privatbesitz und ist wie unser jüngeres Instrument mit 1671 datiert. Es liegt die Vermutung nahe, dass diese beiden Violen jene "ViolKrazzen" (soll heißen: Violbrazzen), also Armviolen sind, die von der erzbischöflichen Hofkapelle in Salzburg bei Stainer bestellt wurden und die der Meister im Jahr 1672 lieferte.
Das Instrument aus dem Jahr 1654 stammt aus dem ehemaligen Besitz des Musikwissenschaftlers Harro Schmidt, der auch erste typologische Forschungen angestellt hat und diese Sonderform als Altviola in gambenähnlicher Ausführung klassifizierte. Von der Gambe leiten sich her insbesondere der flache Boden, die stumpfen Ecken und die gambenmäßige Innenausstattung. Das zweite Instrument aus dem Jahr 1671 wurde 1983 im Gedenkjahr des 300. Todestages Jakob Stainers aus Privatbesitz erworben. Bei beiden Instrumenten sind Boden und Zargen ähnlich aus mehreren Streifen unterschiedlicher Hölzer - Vogelaugenahorn- und Pflaumenholz - kunstreich zusammengesetzt. Die ältere Viola von 1654 hat sich wesentlich ursprünglicher erhalten. Beim Zwillingsinstrument von 1671 wurden insbesondere die Zargen beidseitig um insgesamt mindestens 15 mm herunter geschnitten, um das Klangvolumen zu verstärken und den musikästhetischen Gegebenheiten und aufführungspraktischen Bedingungen des 19. Jahrhunderts anzupassen. Diesem Ansinnen entsprechend wurden auch der Hals und das Griffbrett erneuert und umgestaltet. Beim älteren Instrument ist die Klangintention noch weitgehend realisierbar. Zwar wurde auch ein neuer verlängerter Hals angeschäftet, aber der für die Tonerzeugung insbesondere maßgebliche Korpus ist völlig original erhalten und somit das einzige Beispiel für diese Mischform von Viola da braccio und Gambe geblieben. Vermutlich folgert sich dieses Experiment Stainers, das in der Geschichte der Erzeugung von Musikinstrumenten ein Unikat geblieben ist, aus seiner Bekanntschaft mit William Young. Young war der berühmteste Gambenvirtuose seiner Zeit. Er kam aus England 1652 an den Innsbrucker Hof Erzherzog Ferdinand Karls, wo er über ein Jahrzehnt, als Virtuose und Kammerdiener vom Fürsten überaus geschätzt, tätig war. Anlässlich einer Bestellung einer Viola da gamba für den Pfarrchor in Meran schreibt Stainer: " ich habe den form und manier von des Engelenders Violen, welcher beim Erzherzog Ferdinando, seeligster gedechtnus, in diensten und under den berumdtisten Viola dà gambisten gewest, welches Viola zu London in Engelandt gemacht worden und gar hoch in gelt gewest".
Bezeichnenderweise stammt die in unserer Sammlung erhaltene Tenorgambe, die vermutlich später zu einem Violoncello umgearbeitet wurde, aus dem Jahr 1652, wo Stainer Youngs Gamben erstmals kennen gelernt hatte. Das Instrument ist jedoch zu stark verändert, um ein wirkliches Zeugnis für Stainers erste Versuche im Gambenbau zu vermitteln. Die Schnecke, der Wirbelkasten und der Hals wurden in wenig kunstvoller Arbeit vermutlich von dem in Bozen tätigen, aus Mittenwald stammenden Geigenbauer Johannes Jais (geb.1752) erneuert. Das Griffbrett, der Wirbelkasten und der obere Teil des Griffbretts stammen wahrscheinlich überhaupt von einem anderen Instrument. Die breit ausladenden C-Löcher, deren untere Augen auffallend groß sind, sprechen für das Original. Die ursprünglich ovale Rosette in der Mitte wurde ebenfalls entfernt und durch ein Holzblättchen ersetzt.
Das in der Sammlung erhaltene Violoncello vermutlich aus dem Jahr 1665 ist weltweit das einzige bekannte Instrument Stainers dieser Gattung. Ein Unikat ist ebenfalls die groß dimensionierte Viola aus dem Jahr 1679, die sich in Stainers Heimatort Absam gewissermaßen als kostbares Sammelobjekt im Besitz der Familie Haider erhalten hat und vor kurzer Zeit dem Ferdinandeum als Schenkung überlassen wurde. Diese prachtvolle Viola da braccio ist eines der wenigen Instrumente Stainers, die nahezu vollständig original geblieben sind und somit auch ein authentisches Klangzeugnis seiner einzigartigen Kunst zu vermitteln vermögen.
Jakob Stainer, Viola da braccio, Absam 1679, Inv.-Nr. 299
Stainers internationalen Ruhm haben jedoch seine Violinen begründet und über die Jahrhunderte befestigt. Zwar sind seit dem frühen 19. Jahrhundert die kräftiger tönenden Instrumente der berühmten Italiener aus Cremona, Brescia und Venedig geeigneter gewesen für die großräumig konzipierten Konzertsäle und die virtuosen, stark besetzten Violinkonzerte, die seit dieser Zeit entstanden sind, aber gegenwärtig, infolge der seit vielen Jahren wieder aktuellen rückschauenden Tendenz in der Aufführungspraxis historischer Musik haben die Stainer-Instrumente wieder ihre ursprüngliche Wertschätzung erlangt, so dass sie sogar vielfach nachgebaut werden. Das berühmte ältere Modell der Stainer Geige ist insbesondere gekennzeichnet von der hohen Wölbung von Decke und Boden, die meist doppelt so groß ist wie die der Violinen Stradivaris. Im Unterschied zur Cremoneser Schule, die im allgemeinen eine schlankere Form vorzieht, sind die Violinen Stainers vor allem im unteren Teil etwas breiter und wirken so gedrungener als die vergleichbaren italienischen Meisterwerke. Diesem Typus entspricht die Stainer-Violine aus dem Jahr 1658, die als Geschenk des Wiener Fabrikanten Theodor Hämmerle 1910 in die Sammlung gelangte. Nach der Überlieferung war diese sehr gut erhaltene Geige im Besitz des Musikverlegers und Komponisten Anton Diabelli (1781-1858).
Seit etwa 1663 baute Stainer auch Violinen mit einer flacheren Wölbung, die dementsprechend klangstärker sind. Als Krönung im Schaffen Stainers und "eines der schönsten und am besten erhaltenen Instrumente" des Meisters bezeichnete Walter Senn, der fundierteste Stainer-Experte, die letzte von Stainer geschaffene Violine aus dem Jahr 1682, die durch Kauf aus dem Innsbrucker Servitenkloster 1968 in die Sammlung gelangte. Leider wurden der originale, ziemlich dicke Hals sowie der originale Baßbalken um 1932 von Hermann Glasl, München entfernt und durch moderne Teile ersetzt. Bereits 1787 hatte der Innsbrucker Geigenbauer Johann Georg Psenner Reparaturarbeiten vorgenommen und vermutlich die Decke vollständig erneuert. So teilt dieses herrliche Instrument das Schicksal der meisten Instrumente Stainers: sie wurden zwar einst aufgrund ihrer Formschönheit und wegen ihres einzigartig zarten und verzaubernden Silbertons mit Gold aufgewogen, aber weiterhin nicht als bleibende Kunstwerke geachtet und geschützt, sondern als Gebrauchsobjekte den jeweiligen Erfordernissen der Aufführungspraxis angepasst.